Marke und Content

Marke und Content, Peter Glassen und Hannes Müller über den Hype um das Content-Marketing.

 

Es gibt gerade wohl keinen Blog, kein Printmedium oder keinen Content-Marketing-Workshop, in dem diese Sprechblase nicht auf maximale Grösse gepustet wird. Was der Copywriter Hannes Müller und ich davon halten, kann man hier nachlesen: …

 

@HannesMueller

Content is King! Na Hannes, du kannst es nicht mehr hören, oder? Es gibt gerade wohl keinen Blog, kein Printmedium oder keinen Content-Marketing-Workshop, in dem diese Sprechblase nicht auf maximale Grösse gepustet wird. Angeblich stammt dieser Ausdruck übrigens vom Gottvater des PCs, Bill Gates. Wer hätte das gedacht! Aber wie wir vor ein paar Tagen im «persönlich» gelesen haben, ist eine weitere Sprechblase im Wachsen begriffen: «Comeback der Qualität*». Da kann ich dir nur ein fröhliches «Quality is Pope» zurufen. Was hältst du als erfahrener Texter davon?

 

@PeterGlassen

Für mich die Entdeckung der Neuzeit. Eine Erkenntnis, die scharfsinniger, eine Tendenz, die revolutionärer nicht sein könnte. Frage mich nur, wie die Arbeitgeber des Autoren die letzten Jahre überlebt haben. Entweder hatten sie grosszügige Mäzene oder das unendliche Glück, rückständige oder gleichgültige Auftraggeber zu haben. Denn mit dieser Wiederentdeckung der Qualität sichern zigtausend Unternehmen in der Schweiz Arbeitsplätze und sorgen weltweit für ein einzigartiges Image der Schweiz. Seit Jahrzehnten! Gleiches gilt übrigens auch für Deutschland. Dieser Tugend ein «Comeback» zu attestieren, ist so lachhaft wie ignorant. Die Erklärung für diese Erkenntnis liegt für mich beim Autor. Ohne ihn zu kennen. Er scheint die letzten Jahre dermassen mit sich und seinem direkten Umfeld beschäftigt gewesen zu sein, dass Genauigkeit, Beständigkeit, Nützlichkeit und Integrität nicht gefragt waren. Denn genau diese Tugenden bilden die Grundlage für einen langfristigen Erfolg. Sie definieren die Dimensionen der Qualität. Sie mit «Content» zu beschwören – um diese Sprechblase wieder fliegen zu lassen –, ist töricht. Und hat kurze Beine. Denn werden die Faktoren der Qualität nicht von den unternehmerischen Werten abgeleitet und durch sie getragen, fliegt die wiederentdeckte Qualität sehr rasch als oberflächlich auf. Wird sie vermarktet und nicht gelebt, verkommt sie zum Schlagwort. Denn wer seinen Kunden – welcher Art auch immer sie sein mögen – kontinuierlich Qualität liefert, muss sie nicht zum Trend erklären und mit Schlagzeilen dem Publikum um die Ohren hauen. Die Qualität täglich erlebbar zu machen, ist ihr Lohn genug. Und für sie auch der richtige. Auf meine Funktion als Texter angesprochen, möchte ich dir einen Link empfehlen. Er spricht aus, was mich in den letzten Wochen beinahe zu Platzen brachte. Es geht um Content und Qualität. Und zwar in Bezug auf jene Berufsgattung, die sich früher dafür eingesetzt hat. Wie siehst du denn das Verhältnis von Marke und Qualität?

 

@HannesMueller

Na, da hat sich ja einiges angestaut, wenn ich deine Zeilen lese. Du fragst mich nach dem Verhältnis von Marke und Qualität. Ja, die aktuelle «Wiederentdeckung der Qualität» im Marketing ist beschämend. Denn ich musste sofort an Hans Domizlaff und seine «22 Grundgesetze der natürlichen Markenbildung» von 1939 denken. Schon vor über 75 Jahren formulierte er im 1. Grundgesetz:

 

«Die Voraussetzung der natürlichen Markenbildung ist die Warenqualität.»

 

Am Beispiel eines Schokoladenhändlers verdeutlicht Domizlaff, dass es ohne Qualität keine langfristige Markenbildung geben kann:

 

«Es ist zu betonen, dass tatsächlich eine Qualitätsleistung die natürliche Entstehungsursache einer Marke ist, und dass die Markentechnik ihre grosse Verwendbarkeit nur auf dem Boden wirklicher Qualität voll und dauerhaft zur Geltung bringen kann.»**

 

Selbst wenn viele Marken in der Vergangenheit auf «Geiz ist geil» gesetzt haben, so sind sie doch irgendwann an ihre Grenzen gekommen, wenn das Produkt oder die Dienstleistung nichts mehr wert war. [Beispiele: Swissair, Karstadt usw.] Und das gilt letztendlich für alle Bereiche der Wirtschaft, der Gesellschaft und (wie in deinem Beispiel) auch für den Journalismus. Am Ende des Artikels benennt Hans Hoff sehr genau, was Ursachen für den Qualitäts- und Vertrauensverlust im Journalismus sind:

«Es ist ein sich selbst immer wieder befeuerndes System, das sich gelöst hat von Werten, das sich einzig und allein orientiert an dem, was der Kunde angeblich will.»

Und ich wage mal die Diagnose, dass man diesen Befund direkt auf Teile des Markenmanagements übertragen kann. Viele Agenturen und Unternehmen sind so darauf getrimmt, dem Kunden hinterherzuhecheln, dass sie die eigene Identität und die damit verbundenen Werte aus den Augen verlieren bzw. völlig vergessen. Für die schnelle Aufmerksamkeit, den schnellen Gewinn ist jedes Mittel recht. Aber Hannes, bevor unsere Leser denken, wir wären die beiden Griesgrame aus der Loge der Muppet-Show, sollten wir darüber sprechen, was wir anders machen, um Inhalt mit Qualität zu verbinden. Was ist dein Anspruch an deine Arbeit als Marken- und Kommunikationsstratege?

 

@PeterGlassen

Inhalt und Qualität sind für mich eins. Ohne Qualität ist Inhalt nur heisse Luft. Inhalt geht Hand in Hand mit Gehalt. Und Stoff für diesen Gehalt findet, wer sich mit einem Produkt, einer Firma oder einer Organisation auseinandersetzt. Dazu braucht es Neugier. Denn in einem vermeintlich noch so trivialen Gegenstand – wie zum Beispiel einem Rohling für eine PET-Flasche – stecken tausend packende Geschichten und jede Menge Qualitäten. Sie sind die Ingredienzien für eine Marken- oder eine Kommunikationsstrategie. Und sie liefern begeisterungsfähigen Kreativen viele Impulse, die sie zu Ideen für authentische, gehaltvolle und unterhaltsame (Marken-)Konzepte weiterentwickeln. Erzähle dir gerne mehr darüber in einem der nächsten Blogtalks.

 

@HannesMueller

Danke für den Satz: «Inhalt und Qualität sind für mich eins.» Das kann ich nur unterstützen, denn bereits das Wort Marke trägt diese wesentliche Aussage in sich: Für gewöhnlich wird Marke vom mittelhochdeutschen marc [Grenze, Grenzland], marka [Zeichen, Kennzeichen] bzw. vom englischen brand [unauslöschlich einprägen] abgeleitet. Dabei wird gern die unmittelbare Verbindung zum Wort «Mark» übersehen. Das Knochenmark ist das wichtigste blutbildende Organ und versorgt den Körper u.a. mit den wesentlichen Stoffen des Lebens.

Überträgt man diesen Gedanken auf die Diskussion über Content und Quality, dann entscheidet der Gehalt (Inhalt + Qualität) einer Marke über deren Leben und Gesundheit. Gern erzähle ich dir beim nächsten Mal, wie wir diesen Gehalt im Markenworkshop erkennen.

 

Zum Nachlesen:

*«persönlich – Das Schweizer Wirtschaftsmagazin für Kommunikation» – Ausgabe Nr. 3 – 2015, S. 58

**H. Domizlaff (2005): Die Gewinnung des öffentlichen Vertrauens, S. 27

 

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